Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Saša Stanišić // Bühnenadaption von Jessica Glause und Anna Gojer // Uraufführung // Einführung 30 Minuten vor der Vorstellung
Im Sommer 1994 träumen vier Freunde – alle aus Zuwandererfamilien – in den Heidelberger Weinbergen von einer besseren Zukunft. Fatih, der Tüftler und Erfinder unter den Jungs, hat eine bahnbrechende Idee: „Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe?“ Der sogenannte „Anproberaum“ für die Zukunft scheint in den 90ern noch naive Science-Fiction, wenige Jahre später ist er bereits Realität und wird rege und über alle Klassengrenzen hinweg genutzt: Da ist die Reinigungskraft, die mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand entscheidet, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Und der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Oder die Witwe Gisel aus der titelgebenden Geschichte, die sich nach Jahren des Alleinseins nach einer neuen Bekanntschaft sehnt und deshalb die Gießkanne auf dem Grab mit dem Ausguss nach vorne platziert. Doch wo ist vorne – zum Grab hin oder vom Grab weg?
Saša Stanišić erzählt von Brüchen im Leben von jungen und alten Menschen, von migrantischen Schicksalen, von Familienvätern und Alleinstehenden, die sich alle danach sehnen, ihr Leben neu zu erfinden. Die Regisseurin Jessica Glause lässt diese unterschiedlich träumenden, spielenden Figuren auf der Theaterbühne – dem „Anproberaum“ schlechthin – ihre möglichen Zukünfte ausprobieren: Das Existentielle und das vermeintlich Nebensächliche, das gesellschaftspolitisch Relevante und das Private verbinden sich dabei zu einem Abbild unserer heutigen Gesellschaft.
Im Sommer 1994 träumen vier Freunde – alle aus Zuwandererfamilien – in den Heidelberger Weinbergen von einer besseren Zukunft. Fatih, der Tüftler und Erfinder unter den Jungs, hat eine bahnbrechende Idee: „Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe?“ Der sogenannte „Anproberaum“ für die Zukunft scheint in den 90ern noch naive Science-Fiction, wenige Jahre später ist er bereits Realität und wird rege und über alle Klassengrenzen hinweg genutzt: Da ist die Reinigungskraft, die mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand entscheidet, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Und der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Oder die Witwe Gisel aus der titelgebenden Geschichte, die sich nach Jahren des Alleinseins nach einer neuen Bekanntschaft sehnt und deshalb die Gießkanne auf dem Grab mit dem Ausguss nach vorne platziert. Doch wo ist vorne – zum Grab hin oder vom Grab weg?
Saša Stanišić erzählt von Brüchen ...
Regie Jessica Glause // Bühne & Kostüme Mai Gogishvili // Musik Clara Pazzini // Licht Dorothee Hoff // Dramaturgie Anna Gojer // Mit Victor Calero, Mario Fuchs, Martin Hohner, Stefanie Mrachacz, Anja Schweitzer, Charlotte Will, Daniel Khechumyan, Henri Gütlein (Paul Hovath), Henri Gütlein, Daniel Khechumyan (Aza) //
Wir empfehlen die Inszenierung ab Klassenstufe 9.
„(…) ein unterhaltsamer Abend über das real existierende Sammelsurium von Entwurzelten, das einem Gebilde wie Deutschland mehr und angenehmere Möglichkeitsräume öffnet als die Fantasien herkunftsidentitärer Grenzschützer.“ Jürgen Reuß, nachtkritik // Hier geht es zur vollständigen Rezension.
„(…) so gehört die Szene, in der der fabelhafte Mario Fuchs als Georg Horvath seinen Sohn im Piraten-Memory mit einem Trick besiegen will, zu den schönsten der Aufführung. Dieser quirlige Schauspieler ist der Glücksfall der Inszenierung. Aber auch Martin Hohner, Victor Calero – besonders witzig als Miroslav Klose-Ikone –, Stefanie Mrachacz, Anja Schweitzer und Charlotte Will bewegen sich mit mitreißender Lust an der Verwandlung durch Stanišićs Fantasiereich. (…) Es ist ein Gedankenspiel über alternative Lebensmöglichkeiten, über die Macht des Musil’schen Möglichkeitssinns – und letztlich über die Kraft der Literatur, im Erzählen von Geschichten so sehr die Widrigkeiten des Alltags zu überwinden, dass auch Heinrich Heine noch einmal vom Exil im revolutionären Frankreich träumen kann. Und das auf der Bühne des Freiburger Theaters.“ Bettina Schulte, Die deutsche Bühne // Hier geht es zur vollständigen Rezension.
MÖCHTE DIE WITWE ANGESPROCHEN WERDEN, PLATZIERT SIE AUF DEM GRAB DIE GIEßKANNE MIT DEM AUSGUSS NACH VORNE von Saša Stanišić © 2024 by Luchterhand Literaturverlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe, München